Solarpionier Louis Palmer sorgt mit seinem Vortrag für heitere Momente in Reutlingen und stimmt zugleich nachdenklich.

15.10.2022 Von Sophie Holzäpfel

In der fünften Klasse träumte er davon, eines Tages mit einem Auto die Welt zu umrunden. Seine Klassenkameraden lachten, sein Lehrer wies ihn auf die CO2-Emissionen hin. Als erwachsener Mann hielt er weiterhin an diesem Traum fest. Seine Freunde erklärten ihn für verrückt, als er ihnen 1986 erstmals von der Idee eines Solarautos erzählte. Mit 34 sollte sich sein Traum erfüllen: Der Schweizer Umweltaktivist Louis Palmer startete seine Weltreise im blauen Solartaxi im Juli 2007. 54 000 Kilometer, 18 Monate und fünf CNN- und BBC-Berichterstattungen später lachte niemand mehr, sagte er am Donnerstag bei seinem Auftritt in Reutlingen.

„Wofür leben wir? Für unsere Träume – oder um das zu tun, was von uns erwartet wird?“ wandte sich der Solarpionier an die 50 Zuhörer, die sich zur Abschlussrede der dreitägigen „Greentech.Live“-Konferenz im Innoport eingefunden hatten. Palmers Lebensmotto basiert auf drei Säulen: Niemals aufgeben, nach Hilfe fragen und kreativ sein. Um seinen Traum zu verwirklichen, hängte er seinen Brotberuf Lehrer an den Nagel und besorgte sich zwei Kochsalzbatterien. „Louis, du kannst viel, aber nichts richtig, haben meine Freunde gesagt“, so Palmer scherzend auf der Bühne.

Daher habe er sich Hilfe gesucht – und diese an der Luzerner Hochschule gefunden. Fünf Studierende entwickelten innerhalb eines Jahres das Solarauto. Seine Reise um die Welt führte ihn über Tübingen nach Tschechien, bis er schließlich bei der Weltklima-Konferenz auf Bali einen Vortrag hielt. Er traf den Prinzen von Jordanien, wurde in China mit einer festlichen Zeremonie empfangen und fuhr Ban Ki Moon in seinem Taxi zur Arbeit.

Eine Erkenntnis seiner Reise? Dass die Staatschefs dieser Welt erstaunlich wenig Ahnung von alternativer Energiegewinnung haben: „Die Minister verstehen nichts davon und wir hoffen, dass sie die Welt retten!“. Optimistisch stimmt den Umweltaktivisten ausgerechnet das Land, das als größter Erzeuger von Treibhausgasen gilt: „China macht mir Hoffnung. In Europa heißt es immer, wir sollten tun – die Chinesen machen es einfach.“

China sei auch das Land, das am meisten in erneuerbare Energien investiere. In den vergangenen Jahren sei immer wieder gesagt worden, man müsse etwas gegen den Klimawandel unternehmen, geschehen sei viel zu wenig. „Während der Pandemie ist mein Weltbild vollkommen zusammenkracht“, sagte er. Plötzlich sei alles möglich gewesen, Geld habe keine Rolle mehr gespielt. „Wir sind eine Raupe und müssen ein Schmetterling werden“, lautet seine Metapher, um die Dringlichkeit eines gesellschaftlichen Umdenkens zu verdeutlichen.

Mit einem ganz speziellen Schmetterling will Palmer aktuell für Aufklärung und Sensibilisierung sorgen und die Aufmerksamkeit auf nachhaltige Energien lenken. Mit dem „Solar-Butterfly“, einem mobilen Tiny House aus recycelten PET-Flaschen, das mit Solarpanelen ausgestattet ist, startete Palmers Team am 23. Mai diesen Jahres mit seiner Weltumrundung. Drei Jahre wird das Team in unterschiedlicher Besetzung unterwegs sein. Palmer koordiniert die Reise von Luzern aus.

Ziel dieser Weltumrundung ist, neben Schulen auch zahlreiche Umweltaktivisten und Pioniere zu besuchen und darüber zu berichten. „Die Lösungen sind ja da, und wir wollen sie besuchen“, sagte Palmer am Donnerstag. Ein Autohersteller aus den Niederlanden, der Elektroautos mit Solarzellen baut, Sandbatterien, die bereits in Finnland eingesetzt werden und Solartraktoren in der Landwirtschaft – das seien nur einige dieser Lösungen. Beim Flugverkehr gäbe es hingegen nur einen Lösungsansatz: „Sinnvoller fliegen, nicht mehr für eine Woche nach Florida“.

Eine drastische Reduktion des Flugverkehrs sei dringend notwendig. Ob er Solarflugzeuge für eine Option hält? „Forget it! Das ist nicht die Zukunft!“, so die klare Antwort.

Sein Antrieb sei in erster Linie der Spaß, den ihm seine Arbeit bereite, erzählte Palmer dem TAGBLATT. „Man erreicht kaum etwas. Das Umdenken wird kommen, wenn es zu spät ist. Die Aktionen fehlen“, so die wenig optimistische Einschätzung. Konkrete Forderungen an die europäische Politik habe er keine: Passieren würde ohnehin zu wenig.

Für eine grüne Transformation

Mit über 40 Sprechern aus der ganzen Welt ist die Greeentech-Konferenz im Reutlinger Innoport in die zweite Runde gegangen. Neben Speakern globaler Akteure wie Greenpeace und Ecosia stellten sich auch viele Start-ups vor und präsentierten dem Publikum innovative Ideen. Im Mittelpunkt standen Lösungsansätze und Ideen für nachhaltigere Lieferketten, zukunftsfähige Mobilität und Repair-Konzepte. Alle Vorträge und Interviews wurden live übertragen. Rund 2000 Zuschauer verfolgten die Konferenz vor den Bildschirmen.

Die Community-Night am Donnerstagabend bildete den Abschluss des dreitägigen Events. Greentech-Gründer und Journalist Jochen Siegle betonte, die Konferenz habe verdeutlicht, dass mehr getan werden sollte. „Wir müssen uns bewegen und auf Lösungen hinweisen statt zu jammern!“ Sein Fazit fällt positiv aus: „Wir sind superhappy, dass alles so gut funktioniert hat.“ Menschen wie Louis Palmer würden den Finger in
die Wunde legen und inspirieren.